Erörterungsaufsatz
Plädoyer für eine neue Form des
Erörterungsaufsatzes
Stellen Sie sich folgende Situation vor:
Sie sitzen an einem leeren Tisch und sollen für die Schülerzeitschrift Ihrer
Schule einen Beitrag zum Thema:
Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft derselben lässt.
(Dieter Hildebrandt)
schreiben.
Da die Zeitschrift in Druck gehen muss, haben Sie nur 90 Minuten Zeit. Der PC ist abgestürzt und brauchbares Material nicht in greifbarer Nähe. Sie denken vielleicht an die Deutsche Telekom, die Kartellbehörde, BASF und schwarze Kassen. Irgendwo war da doch auch was im Lokalteil. Aber exakte Daten und Fakten - Fehlanzeige. Und dabei wissen wir, dass Argumentieren etwas mit Wissen, Fakten, genauer Recherche zu tun hat und nichts mit vager Erinnerung oder Allgemeinplätzen.
Genauso müssen sich Schüler beim Erörterungsaufsatz fühlen.
„Sport
ist heutzutage vor allem eines: Geschäft.“
Erörtern Sie diese Behauptung.
Natürlich können wir von Schülern eine mehr oder weniger ausgefeilte Materialsammlung erwarten:
Dies mag übertrieben sein.
Wenn aber Erörtern etwas mit Argumentieren zu tun hat, und dieses wiederum auf
sorgfältiger Recherche und genauem Fakten- und Hintergrundwissen beruht, ist es
vielleicht doch nicht ganz so übertrieben.
Oder wie ist es mit diesem Thema:
Die
Technik hilft uns Zeit und Arbeit zu sparen, und doch fühlen sich viele
Menschen - anders als früher - in ständiger Hetze.
Setzen Sie sich mit diesem Widerspruch auseinander.
Eigentlich
ein Paradebeispiel für einen sinnvollen Erörterungsaufsatz, in dem alles
gefordert wird, was den Ort dieser Schreibübung im Deutschunterricht
rechtfertigt:
- sorgfältige, auch historische Recherche und Recherche vor Ort
- Befragungs- und Erhebungstechniken mit Auswertung
- Denken in historischen und wirtschaftlichen Zusammenhängen
- persönliche Erfahrungen (Berufspraktikum, Familie)
- etc.
wenn, ja wenn wir mit den Schülern genaues Recherchieren, Befragen, Auswerten
etc. üben und ihnen die Zeit dafür lassen.
Das
Fernsehen deckt mit Oberflächenreizen die Wirklichkeiten zu.
Bruno
Ganz, Schauspieler
Erläutern
Sie diese Aussage von B. Ganz und nehmen Sie dazu Stellung.
Eigentlich ein Thema, das genau in eines des zentralen Unterrichtsinhalte des Deutschunterrichts gehört: Medienkompetenz. Aber gleichzeitig ein Thema, das vielfältiger Vorarbeit bedarf, soll sich der Schüler nicht in Allgemeinplätzen über "Gute Zeiten, schlechte Zeit" und anderen Soap-Serien, Talkreihen à la Arabella ergehen (die er bzw. sie doch klammheimlich gerne sieht) und demgegenüber die Bildungsinhalte der dritten Programme (die in der Regel kaum angeschaut werden) bzw. eine arte-Produktion, die man per Zufall im Programmheft gesehen hat, für den contra-Teil ausschlachten.
Folgerung:
Der klassische Erörterungsaufsatz hat dann seinen sinnvollen Stellenplatz im
Deutschunterricht, wenn er nicht nur im Sinne der Aufsatz- und
Argumentationserziehung stattfindet, sondern sich als fundierte Meinungsbildung
und Meinungsäußerung versteht.
Warum also nicht einen Aufsatz zu zum Thema "Freizeit" mit vorheriger Ankündigung schreiben lassen. Neben dem Hinweis auf die örtliche Presse könnte auch als weitere Quelle z.B. http://www.bat.de/_default/_a/17amn25/_default/Archiv.Publikation angegeben werden.
Der Enzensberger-Impuls:
Der
Tourismus zerstört, was er sucht, indem er es findet.
Hans
Magnus Enzenberger
kann
erörterungstechnischer Abschluss einer fächerübergreifenden Einheit sein, in
der ortsnahe Überlegungen und Recherchen genau so ihren Eingang finden wie
Planspiele à la Ecopolicy
oder Verbindungsrecherchen und -vergleiche mit der deutschen
Bundesbahn und z.B. der Lufthansa
(wobei hier die Möglichkeit der Probebuchung für Schüler durchaus seinen Reiz
haben kann).