Internetarbeitsplätze und Schulpraxis

Internet in Gesellschaft und Schule
Das Internet - Wissensbasis und Informationsmanagement
Das Internet als Lernwelt
Internet und Medienkompetenz
Internet und Konsumentensimulationen
Online lernen
Das Internet als eigene Präsentationsplattform
Ausstattung
Erste Ansätze zu didaktischen Überlegungen
Ein kleiner themenbezogener Streifzug durchs Internet

rechtlicher Hinweis

Internet in Gesellschaft und Schule

Eine repräsentative Umfrage des Freizeit-Forschungsinstituts von British American Tobacco ergibt, dass 83% der Deutschen (zum Vergleich 70% der Amerikaner) zu Hause von ihrem PC keinen regelmäßigen Gebrauch machen. »Die meisten Deutschen, aber auch die Mehrheit der Amerikaner sind Computer-Muffel«, so Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, der Institutsleiter. Nach seiner Studie wollen 75% der Amerikaner vom Internet nichts wissen. Dem steht gegenüber, dass 52% der deutschen Universitätsabsolventen und 54% der amerikanischen Postgraduierten dieses Medium häufig nutzen.

Opaschowski: »Eine Art Kaspar-Hauser-Syndrom stellt sich ein. Während die Medienbranche die technologischen Anforderungen an die Nutzer ständig steigert, drohen viele Konsumenten in ihrer Entwicklung stehenzubleiben.« Und das hieße längerfristig gesehen so viel wie auf Dauer abgehängt zu werden. Und so ist Opaschowskis sowohl nachvollziehbare wie auch erschreckende Schlussfolgerung: »Bevölkerungsgruppen mit niedrigerer formaler Bildung bleiben vom Aufbruch in das Multimedia-Zeitalter weitgehend ausgeschlossen oder werden gar abgekoppelt. Die neuen Chancen der Informationsgesellschaft nutzen fast nur die Höhergebildeten.«

Eine repräsentative Befragung von 3.000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland ergab folgendes Bild:

Internet-Nutzer:
(Von je 100 Befragten nutzten Internet/Online-Dienste privat zu Hause mindestens einmal in der Woche)

Hauptschule Realschule Gymnasium

Universität/FH

Gesamtbevölkerung

1997

0

2

8

9

2

1998

1

4

11

13

4

1999

2

7

12

19

6

(Quelle: Freizeit aktuell Ausgabe 146, 20. Jahrg., 17. März 1999)

Die Ursache hierfür ist für Opaschowski: »Die Konsumenten, jahrzehntelang an den bequemen Lehnstuhl-Bildschirm-Spaß gewöhnt, wollen weiter unterhalten werden. Wer bisher pausenlos passiv war, wird nicht plötzlich aktiv oder grenzenlos interaktiv sein können.«

Und dies deckt sich wohl auch weitgehend mit der Erfahrung aus dem Schulalltag. Ohne ein tiefgreifendes Medientraining, das in eine echte und bewusste Medienkompetenz mündet, werden die meisten Schüler auch weiterhin bei jeder Gelegenheit auf den Seiten ihrer privaten Interessen abtauchen und sich von Pamela Anderson bis Beate Uhse durchklicken oder sich die neuesten Hits oder Spiele runterladen und damit nur pseudoaktiv tätig sein.

Internet-Arbeitsplatz in der Schule bedeutet aber arbeiten mit dem Internet und Arbeit schulbezogen bedeutet LERNEN und LEHREN. Und Internet-Lernen und -Lehren erfordern ein anderes Lernverhalten und neue didaktische Ansätze.

Nicht nur auf den ersten Blick scheint es kaum angemessen zu sein, wenn gesagt würde: »Gebt alle die Adresse www.user.xpoint.at/odyssee/faust.htm ein.« Und dann: »Max fangen Sie bitte an zu lesen.« oder eine beliebige andere URL mit der Aufgabenstellung, den Text laut zusammenzufassen, gegeben würde. Warum eigentlich? Im normalen Unterricht haben auch alle Schüler dasselbe Buch mit demselben Text vor sich.

Eine Aufgabenstellung wie: »Geht zu dieser Adresse und arbeitet die wichtigsten Informationen und Standpunkte heraus« erscheint dagegen durchaus angemessen.

Es ist offensichtlich, dass das Internet als Lehr- und Lernmedium weniger für den Frontalunterricht mit einzeln aufgerufenen Schülern geeignet ist, sondern vielmehr für gruppendynamisch oder schülerindividuell orientierte Unterrichtsverfahren.

Klar ist auch, dass wir es beim Internet-Material auf die Schulpraxis bezogen weniger mit Primärtexten als vielmehr mit Sekundärmedien zu tun haben.
Was das Internet für den Bereich Lehren und Lernen zu bieten hat, sind:
     - Text- und Bildmaterialien
     - eine Fülle virtueller Lernwelten
     - das Eintauchen in andere Sprachen und Kulturen
     - schneller Zugriff zu aktuellen Informationen
     - Gedanken- und Informationsaustausch weltweit
     - interaktives Online-Lernen
     - Simulation und Einübung von Alltagsaktivitäten wie Online-Shopping, Online-Buchung, Reisepplanung etc.

Die Schule sollte unseres Erachtens erstens die Aufgabe haben den Umgang und sinngerechte bzw. vernünftige Nutzung des neuen Mediums im Sinne eines Wissens- und Verwendungsmanagements (Knowledge und Application Management) oder schlichter gesagt einer erweiterten Medienkompetenz zu trainieren.
Zweitens sollte sie die Einbindung dieses Mediums in das Lehr- und Lerngeschehen, a) zur Erschließung neuer Informationsquellen und Darstellungsmöglichkeiten und b) als ganz normales Werkzeug neben Buch und Heft leisten..

Was kann das der Unterrichtspraxis bieten? Was bedeutet es in Bezug auf LEHREN und LERNEN?
Und: Welche Rahmenbedingungen sind für einen in diesem Sinne effektiven Einsatz des Internets notwendig.

I     Das Internet - Wissensbasis und Informationsmanagement

Das Internet bietet eine inzwischen unüberschaubare Fülle von Materialien, die leider nur allzu oft keiner oder nur einer sehr subjektiven Qualitätskontrolle - Objektivität, Zuverlässigkeit etc.- unterliegen.

Daraus ergibt sich für die Schule:

- Vermittlung von Suchstrategien
- Vermittlung von Techniken des Informationsmanagements
- Analyse des Informationsbedarfs
- Analyse der Informationsqualität
- Analyse des Verwendungszwecks
- Bearbeitungs- und Verwendungs-/bzw. Präsentationsstrategien

Schüler alleine und ohne Starthilfe im Internet recherchieren zu lassen führt in der Regel nicht zum gewünschten Ergebnis, da angesichts der Überfülle der über Suchmaschinen gefundenen Seiten eine einigermaßen zuverlässige Sichtung kaum oder nur sehr zeitaufwendig möglich ist. So ergibt eine Suche nach "+goethe+faust" allein bei altavista   eine Trefferquote von ca. 1500 Treffern. Eine Suche bei metager mit den Stichworten "goethe klassik" ergibt auf Anhieb fast 100 Treffer, aus denen sich dann ca. 10% brauchbare Links herausfiltern lassen. So wird man zunächst die verschiedenen Suchmaschinen und den effizienten Umgang mit ihnen einüben müssen. Auch der effektive Umgang mit gefundenem Internetmaterial kann nicht vorausgesetzt werden. »Surf-Protokolle« können hier sehr hilfreich sein, da sie dazu zwingen, die Erfordernisse des Informationsmanagements ständig vor Augen zu haben und zu beachten.

II     Das Internet als Lernwelt

Das Internet - wie auch die CD-ROM - bietet die Möglichkeit Lernwelten gezielt und interaktiv zu gestalten. (Man denke hier nur an virtuelle Stadtrundgänge, Museumsbesuche etc.)

Hier gilt es v.a. die Schüler zu sensibilisieren und zur Reflexion eines zunächst unbewussten Klick- und Scrollverhaltens anzuregen.

Fragen wie:

Warum habe ich hier gleich weitergeklickt?
Warum habe ich an dieser Stelle schneller, langsamer gescrollt?
Warum habe ich mir an diesem Punkt weitere Informationen geholt oder diese Möglichkeit vermisst?

können wichtige Bausteine für eine Förderung der Medienkompetenz sein.

Gleichzeitig und vielleicht noch wichtiger eröffnet sich hier den Jugendlichen ein Tor zur Welt. Gerade hier kann das Internet zu einer Wissensvermittlung über alle sozialen Schichtenunterschiede hinweg beitragen, da alle Nutzer dieselbe Chance haben andere Länder, Städte und v.a. Kulturen und Denk- und Darstellungsweisen zumindest virtuell zu erleben. Reisen bildet. Auch das virtuelle Reisen. Man muss dies nur erkennen und diese Art der Welterfahrung entsprechend einsetzen.

III     Internet und Medienkompetenz

Das Internet ist eines der besten Werkzeuge für die Entwicklung von Medienkompetenz. Es macht sich alle Möglichkeiten der verschiedenen Medien zu eigen:

            Sprache
            Typographie
            Layout
            Farbe
            Animationen
            Videoclips
            ...

Der Bildschirm stellt seine eigenen Anforderungen an die Sprache. Im Gegensatz zum gedruckten Text sind lange, fortlaufende Bildschirmtexte kaum lesbar. Das Aufteilen des Textes in kleine Abschnitte, die wo irgend möglich über die Bildschirmgröße nicht hinausgehen, ist notwendig. Das Leseverhalten am Bildschirm beeinflusst den Satzbau und die Satzlänge. Da nach gängiger Auffassung der Besuch einer Website auch Spaß machen soll, erfordert sie u.a. ein ständiges Jonglieren mit Sprachebene, Wortwahl und Ausdrucksweise. Dies können Ansatzpunkte für eine genauere Sprachanalyse der Internet-Sprache sein.

In diesen Zusammenhang gehört auch die Typographie. Größer, kleiner, fett, Schrifttypen und ihre Kombinationen eröffnen ein weiteres Untersuchungsfeld. Layout und Farbe oder hier wohl besser Screen-Design unterliegen bei Internetseiten ihren eigenen Gesetzesmäßigkeiten. So verliert die Seite einer Farbbroschüre oder eines Leaflets beim Herunterkopieren auf das Bildschirmformat fast alle Qualitäten, die es als Printmedium auszuzeichnen vermag. Hintergrunddesign, Bildschirmaufteilung, Animationen und das »Klickangebot« sind wesentliche Qualitätsmerkmale einer Website, die es genau zu untersuchen gilt. Nur so können V. Packards »hidden persuaders«, die »geheimen Verführer«, erkannt und beurteilt werden.

IV     Internet und Konsumentensimulationen

Da abzusehen ist, dass sich das Internet in zunehmendem Maße auf unser Einkaufs-, Reiseplanungs- und Buchungsverhalten auswirken wird, kommt hier dem Internetarbeitsplatz in der Schule eine große Bedeutung zu.

Probleme wie:

Sicherheit bei der Übermittlung relevanter Daten
ständige Übersicht über das aktuelle Bestellvolumen und im laufenden Monat bereits getätigte e-Commerce-Aktivitäten
Bedarfsanalyse und Angebotsvergleiche

sind wchtige Aspekte des Umgangs mit dem Iinternet sowohl im späteren beruflichen wie auch privaten Leben.

Gerade in diesem Bereich können wir mit Schülern wesentliche Fähigkeiten simulieren und einüben. Probebuchungen bei z.B. Lufthansa, die Zusammenstellung einer Reiseroute mit den dazugehörenden Sehenswürdigkeiten, Zimmerreservierungen per e-Mail, online-shopping und vieles mehr können hier gezielt und mit der notwendigen Bewusstseinsbildung in Richtung Konsumbewusstsein - z.B.. Einhalten eines bestimmten Urlaubs- oder Haushaltsbudgtes - trainiert werden. Ein Teil dessen, was in den USA in social studies eingeübt wird und die Schüler realitätssimulierend auf ihr späteres Leben als Konsumenten vorbereitet, kann hier beispielhaft übernommen werden.

V Online lernen

Der Bereich des Online-Lernens wird in Anlehnung und Erweiterung des Tele-Learnings einen weiteren Beitrag in Richtung Internetarbeitsplatz und Schule/Lernen sein. Dieser Bereich, der natürlich auch die berits genannten Bereiche umfasst, bietet dem Lernenden die Möglichkeit orts- und zeitunabhängig dazuzulernen, Gelerntes zu festigen,  zu vertiefen und zu erweitern. Neben dem schülerindividuellen Zusammenstellen von Lernprogrammen - ähnlich der CD-ROM - kann hier der effektive Einsatz dieses Mediums im Prozess des lebenslangen Lernens eingeführt und eingeübt werden.

Günther Miklitz' »Lernfaden« und Prof. Haunschmids Grammatik- und Sprachlernseiten zeigen hier neue Ansätze eines echten Online-Lernens auf und setzen neue Maßstäbe.

VI     Das Internet als eigene Präsentationsplattform

Nicht zuletzt ist der Internetarbeitsplatz natürlich auch dafür da, sich selber im Erstellen von Internetpräsentationen zu üben. Mitarbeit bei der Homepage der Schule oder einem Beitrag dazu, Planung, Entwicklung und Realisierung eines Projektes, das anschließend im Internet präsentiert oder hierfür konzipiert wurde, sind nur einige wenige Beispiele. Durch dieses aktive Umsetzen der erworbenen (zunächst nur passiven) Medienkometenz wird selbige gleichzeitige wieder geschärft.

Ausstattung

Dies erfordert ein durchdachtes Ausstattungspaket. So müssen genügend Internetarbeitsplätze zur Verfügung stehen, und dies nicht nur in einem Multimediaraum, sondern auch dezentralisiert in Klassenzimmern als Multimediaecken mit Server- und Internetanbindung. Gleichzeitig müssen die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben auch in Freistunden im Internet aktiv zu werden. Hieraus folgt aber auch, dass genügend Leitungskapazitäten (entsprechend starke Standleitung), die auch Nutzungsspitzen verkraften, zur Verfügung stehen. Denn nur dann können Schüler angesichts der immer aufwendiger gestalteten Internetseiten effektiv recherchieren. Darüber hinaus müssen die Schüler die Möglichkeit haben, Materialien in einem ihnen zugewiesenen Ordner auf einem zentralen Server abzulegen. Die Multimediaräume sollten so gestaltet sein, dass sie den verschiedenen Anforderungen - z.B. ITG-Unterricht, Informatikkurse - und einem eher teamorientierten Projektunterricht - gerecht werden.
Neben der häufig anzutreffenden U-Form und der traditionellen Fachraumanordnung kann hier auch das Modell der Multimediainseln, wie es derzeit am Isolde-Kurz-Gymnasium Reutlingen erprobt wird, in Betracht gezogen werden. Hier wird inzwischen mit zwei Computerräumen gearbeitet, einem in Fachraumanordnung und einem mit Lerninseln.

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In diesem neuen Fachraum fehlen gegenwärtig noch die neuen Möbel

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Der neue Fachraum, wenn er fertig möbliert ist.

Dass eine solche Ausstattung ohne die dafür notwendigen personnellen Kapazitäten und einen entsprechenden Multimedia-Etat nicht - oder zumindest nicht auf Dauer - realisierbar ist, muss hier nicht eigens betont werden.

Erste Ansätze zu didaktischen Überlegungen

Neben der notwendigen Grundlage in Bezug auf die erforderliche Ausstattung ist aber auch ein eigenes pädagogisch-didaktisches Konzept notwendig.
Hier gilt es zum einen, das Internet v.a. bei individuellen Lernproblemen effektiv einzusetzen. So können Hemmschwellen, z.B. im Umgang mit den neuen Medien, oder Lerndefizite behoben bzw. aufgefangen werden. Auch die Arbeit mit Lernzirkeln kann hier erweitert werden und neue Impulse erhalten.
Zum anderen ist nicht nur auf Grund der in der Regel beschränkten Anzahl an Computern, sondern auch aus medien-didaktischen Gründen die Arbeit in kleinen Teams die wohl beste Arbeitsform. Einerseits kann somit versucht werden zu verhindern, dass dieses Medium als »abgeschotteter« Raum empfunden wird, zum anderen wird dadurch gerade der kommunikative Aspekt gefördert. Gleichzeitig gilt es sicher zu stellen, dass die einzelnen Kleingruppen nicht nur autonom arbeiten, sondern sich jeweils als Teil einer Gesamtgruppe verstehen. So können auch individuelle Fähigkeiten und Interessen gewinnbringend eingebracht werden. Gerade in den Anfangsphasen sollte darauf geachtet werden, dass es in Bezug auf bereits vorhandene  Internet-Kompetenz zu gemischten Gruppen kommt. Gerade durch seine medienimmanente Vielfalt, die bei professionellen Webseiten durch Experten verschiedener Sparten geschaffen werden, erfordert es im schulischen Bereich eine bewusste Nutzung und Evaluation wiederum dieser verschiedenen Fähigkeiten, die es gilt im Team zusammen zu stellen und zu bündeln. Hinzu kommt, dass der jeweilig benötigte Zeitrahmen genau austariert und abgesteckt wird. Eine sinnvolle Recherche im Internet im 45 Minutentakt ist wohl ebenso unsinnig wie eine Doppelstunde Online-Lernen.
Der wichtigste Aspekt scheint mir aber zu sein, dass die Kommunikation und der Austausch über die Arbeit im und mit dem Internet gesichert sind und ständig betrieben werden. Nur so kann die notwendige Reflexion stattfinden und verhindert werden, dass der Internetarbeitsplatz zu einem isolierten und zu stark individualiserten Arbeitsplatz wird. Denn gerade das Internet ist als kommunikatives und interaktives Medium zwischen den Benutzern konzipiert.

Michael Breddin
21.09.00